top of page
Notes on – Studio Berlin

Zuerst erschienen bei Architectural Digest Germany 

StudioBerlin_Fassade_Rirkrit_Tiravanija_

Photography by Noshe

Words by Lola Froebe

Ganz ohne Schlange: Der Berliner Club Berghain öffnet wieder – für Kunstinteressierte. Die Ausstellung „Studio Berlin“ präsentiert ab sofort aktuelle Werke von mehr als 100 zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern aus Berlin.

Nachtclubs gelten als Orte voller Magie und Lebensgefühl. Sie bieten Raum für Experiment, Entgrenzung, Ekstase und sind ein Epizentrum der Popkultur. So bedeutete die Schließung des legendären Berliner Berghains aufgrund der geltenden Corona-Maßnahmen für viele nicht nur eine Zäsur in der Clubkultur, sondern die Stilllegung eines Ortes voller Möglichkeiten. Ähnlich traf es den Kunstbetrieb: Galerien und Museen mussten schließen, Ausstellungen und Messen wurden abgesagt oder verschoben. Nach fast sechs Monaten wird das Berghain nun wiederbelebt und zum neuen Refugium. Für die Kunst.

Auf Initiative der Boros Foundation und des Berghain verwandelt sich der Club zum temporären Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst aus Berlin. Unter dem Titel „Studio Berlin“ sind mehr als 100 künstlerische Positionen aus den Bereichen Fotografie, Skulptur, Malerei, Video, Sound, Performance und Installation zu sehen. Mit dabei sind viele bekannte Namen wie Olafur Eliasson, Elmgreen & Dragset, Anne Imhof, Alicja Kwade, AA Bronson, Wolfgang Tilmans, Katharina Grosse, Julius von Bismark, Julian Charrière, Isa Genzken, Adrian Piper, Henrik Olesen, Rosemarie Trockel und Sven Marquardt, aber auch zahlreiche Newcomer und weniger etablierte Künstlerinnen und Künstler. Bespielt werden der komplette Innenraum des Gebäudes, inklusive Tanzfläche, Darkrooms und Panorama Bar.

Ausgehend vom Künstlerstudio als Denk- und Produktionsraum setzt sich die Gruppenschau mit aktuellen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Entwicklungen auseinander. Sämtliche Werke der Ausstellung sind während der internationalen Pandemie entstanden und bisher nicht ausgestellt worden. Diese ist hier allerdings nicht das Thema, sondern bietet Raum für künstlerische Introspektion und eine Bestandsaufnahme der Gegenwart. Im Zentrum von Alicja Kwades gezeigter Arbeit stehen so als eine Art Selbstbildnis 24 Ampullen mit den essentiellen Elementen des menschlichen Körpers – eine Betrachtung des Menschseins, heruntergebrochen auf das, was bleibt.

Alicja_Kwade_Selbstporträt,_2020_Roman

Alicja Kwade, Selbstporträt 2020 (Foto: Roman März)

Julius von Bismarck wiederum rückt die stoische Gewalt des Meeres in den Blickpunkt und installiert eine schwebende Hochseeboje, die die Wellenbewegungen ihres Pendants im Atlantik in Echtzeit überträgt, und verweist damit auch auf die Macht unserer Datenmeere. Elmgreen & Dragset holen ein Stück Flora und Fauna in die Hallen des Berghain: „Geier wurden bereits in mehreren unserer Skulpturen gezeigt, bis dato mit The Critic betitelt. Die Natur ist möglicherweise der furchteinflößendste, aber auch der größte Kritiker von allen. Daher heißt dieser neue Geier auf einem toten Ast HOPE“, so beide Künstler. Und auch die Außenfassade des Berghains setzt mit dem Banner „Morgen ist die Frage“ von Rirkrit Tiravanija alle Zeichen auf Hoffnung. 

 

Die Botschaft der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler ist klar: Sie begreifen die Ungewissheit der Zukunft nicht als Ohnmacht, sondern Chance. In den Hallen des Berghain kommen so nicht nur das Nachtleben und die Kunst zusammen, sondern zwei Pole der gleichen Energie, die Berlin auch weiterhin in Rotation halten. Eine kleine Erinnerung an den Clubbesuch bleibt übrigens: Video-, Foto- und Tonaufnahmen sind auch weiterhin nicht gestattet.

Julius von Bismarck.png

Courtesy Julius von Bismarck; Galerie alexander levy, Berlin und Sies + Höke, Düsseldorf. Copyright Julius von Bismarck, VG Bild-Kunst, Bonn 2020.

September 2020

  • Schwarz LinkedIn Icon
  • Black Instagram Icon

©2025 by Lola Froebe.

bottom of page