Notes on – Talia Chetrit
Feb – 2018

Talia Chetrit, Untitled (Outdoor Sex #1), 2018
Words by Lola Froebe
Der Kölnische Kunstverein präsentiert die erste Einzelausstellung der Fotografin Talia Chetrit in Deutschland. Nicht nur für Modefans ein Muss.
Ein Wiedersehen mit einer Ikone: Juliette Lewis ist seit wenigen Tagen zurück und Talia Chetrit hat sie für Acne Studios vor der Kamera inszeniert. "Für SS18 habe ich über die starken Frauen des 1990er Kinos nachgedacht. Als Juliette Lewis am Set ankam und die Kollektion sah, interpretierte sie die Stücke, indem sie einen Charakter kreierte. Talia spiegelte Juliette während des Shootings und erschuf diese großartige und unmittelbare Energie“, so Jonny Johansson, Creative Director von Acne Studios, über die neue Kampagne.
Für Talia Chetrit ist es keinesfalls der erste Ausflug in die Mode, fotografierte sie bereits vielbeachtete Kampagnen für Céline und Helmut Lang. Die 1982 in Washington D.C. geborene Künstlerin steht für ein starkes, modernes Frauenbild, welches in seiner Pragmatik verführt und prickelt. Ein Selbstverständnis, dessen Wiege tief in den 80er Jahren liegt. Der Zeit also, in der Frauen sich selbstbestimmter denn je durch das Berufsleben bewegten, sich in der Mode maskuliner Codes bedienten und Proportionen wie Lebensentwürfe radikal verschoben. Es ist jene Geisteshaltung, die auch Labels wie Céline und Acne Studios verkörpern: Dass es nur der eigenen Augen und des eigenen Geschmacks bedarf, um zu wissen, dass ein oversized geschnittener Trenchcoat jetzt genau das Ding ist, das es zu besitzen gilt. Im gleichen Augenblick ist ebenso Chetrits Haltung eine Erscheinung – angesichts des apodiktischen Beharrens des Kunstbetriebs, kommerzielles Schaffen stelle einen Ausverkauf des intellektuellen Anspruchs dar, gibt sich die Fotografin unbeeindruckt. Auch deswegen sind ihre Kampagnen ein Match made in heaven.

Talia Chetrit, Post card for "Showcaller".
Nun ist Talia Chetrit in ihrer ersten Einzelaussellung in Deutschland im Kölnischen Kunstverein zu sehen. Showcaller schließt nahtlos an ihr Œuvre an, in welchem die Künstlerin das manipulative Moment zeitgenössischer Fotoproduktion und heutiger Bildwelten hinterfragt. Geknüpft an die geschlechterspezifische Wahrnehmung und Visualisierung von Identität spielt Chetrit mit idealtypischen Inszenierungen, die sie abändert, verfremdet und häufig sexuell aufgeladen präsentiert.
Der Griff zum Klischee dient ihr als Handhabe, Sehgewohnheiten aufzubrechen und Rollenmuster zu enttarnen. Mithilfe eines Selbstauslösers positioniert sich Chetrit als Frau selbst nackt in ungelenken Posen vor der Kamera oder hält den Geschlechtsakt mit ihrem Freund in einer idealisierten Desktop-Landschaft fest. Kontrastiert durch die unpersönlichen Abläufe und Konventionen des urbanen New Yorks, dem Wohnort der Künstlerin, wird das Bild der starken, naturschönen Frau – nicht länger nur Objekt, sondern Subjekt der Fotografie – zum Phänomen und Zeugnis einer vollkommenen Ästhetik und neuen Ära.